Nikola Müller: Dem großen Projekt der Chancengleichheit der Geschlechter einen einzigen Tag im Jahr zu widmen, finde ich zu wenig. Ein einziger Tag! Und 364 Tage im Jahr soll frau sich damit abfinden, dass es Männertage sind?
Melina, du beschäftigst dich schon lange mit der Frage, was das alles mit Fotografie zu tun hat. Was ist deine Botschaft?
Melina Mörsdorf: Eigentlich ganz einfach und gar nicht so schwer: Bucht halt gleichermaßen Frauen wie Männer. Traut euch generell mehr Diversität.
NM: Nur rund jede:r vierte laif-Fotograf:in ist weiblich, drei Viertel der laif-Community sind männlich. Ich habs nachgezählt, sogar zweimal, weil mich die Zahlen so erschrecken. Hast du eine Idee, warum das so ist? Bildet das die Verteilung der Geschlechter auf diesen Beruf ab?
MM: Ja, leider schon. Wenn man sich die Zahlen der Hochschulen und in den ausbildenden Betrieben anschaut, so sind die Verhältnisse noch paritätisch. Irgendwann auf dem Weg ins Berufsleben gehen dann aber die meisten Frauen verloren, und es findet sich nur ein geringer Prozentsatz im Fotografinnen-Alltag wieder. Das liegt wahrscheinlich an patriarchalen Strukturen in der Branche, von der im übrigen nicht nur Frauen betroffen sind, und auch an den Auswirkungen der patriarchal geprägten Gesellschaft.
NM: Fotografinnen und Fotografen nutzen dieselbe Technik, haben meistens die gleiche Ausbildung. Was meinst du, was könnte sie dennoch unterscheiden, gibt es so etwas wie einen „weiblichen Blick“?
MM: Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so ist. Vielleicht ist es auch so, dass Frauen oft eher Jobs bekommen, bei denen eine klassisch weiblich gelesene Sicht gefragt ist, oder ein Thema behandelt wird, das man eher Frauen zuschreibt, Kinder oder Wellness zum Beispiel. Oder umgekehrt werden technischere Themen oft eher von Männern fotografiert, weil wir nun mal in einer Welt leben, wo kleine Mädchen Puppen zum Geburtstag bekommen, Jungs eine Eisenbahn, und Auftraggeber:innen denken, dass man als Frau nicht gut mit Lichttechnik umgehen kann, weil das ja alles so schwer ist, um es mal ganz schlicht auszudrücken.
NM: Du hast den Female Fotoclub mitgegründet. Erzähl uns davon bitte.
MM: Der Female Photoclub wurde 2017 initiiert und ist seit 2020 ein eingetragener Verein für professionell arbeitende Fotografinnen. Aktuell zählt der Club etwa 400 Mitglieder, die sich in neun Städten und Regionen in ganz Deutschland organisieren. Die Ziele des Vereins sind es, die Sichtbarkeit von Fotografinnen zu erhöhen, sich für mehr Gleichberechtigung in der Branche einzusetzen und auf Missstände wie Honorarungleichheit und mangelnde Repräsentanz aufmerksam zu machen. Intern bietet der Female Photoclub seinen Mitgliedern einen geschützten Raum für Austausch, gegenseitige Unterstützung und Förderung. Der Club tritt vor allem durch seine vielseitige Öffentlichkeitsarbeit und diverse lokale Ausstellungen und Aktionen in Erscheinung.
Ich bin eines der Gründungsmitglieder und auch eine der vier Vorständinnen und leite die Hamburger Regionalgruppe. Etwa alle sechs Wochen treffe ich mich mit meinen Kolleginnen in meinem Studio und wir besprechen alles, was uns gerade bewegt. Momentan bereiten wir unsere erste Ausstellung vor, und ich bin unglaublich stolz, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.
NM: Herzlichen Dank für das Gespräch und einen schönen Frauentag! Ich freu mich schon auf deinen laif-Instagram-Takeover ab 20. März.