Neu: Anna Ziegler

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Wir freuen uns, Anna Ziegler als neue laif-Fotografin vorstellen zu können. Sie arbeitet sowohl in redaktionellen als auch in kommerziellen Kontexten. Ihr Ziel ist es, Informationen durch Sensibilität und Emotion zu transportieren.

Nach ihrem Bachelor-Abschluss in Fotodesign an der FH Dortmund zog sie nach Hamburg und arbeitete zunächst als Assistentin für verschiedene Werbefotograf:innen, bevor sie ihre eigene Karriere mit den Schwerpunkten Porträt und Dokumentation startete. Seit 2021 ist sie in Neustadt an der Weinstraße zu Hause.

 

Du arbeitest hauptsächlich im Editorial-Bereich, aber nimmst auch Corporate-Aufträge an. Gibt es Unterschiede in der Bildsprache zwischen diesen Jobs?

Im Grunde versuche ich, meine Bildsprache immer mit einfließen zu lassen und mit der gleichen Haltung zu arbeiten: eine Geschichte zwar sachlich, aber auch mit Gefühl zu erzählen. Einen größeren Unterschied macht meiner Erfahrung nach eher der Faktor Zeit aus, welche Geschichte erzählt wird und die Bereitschaft des Gegenübers, sich auf das gemeinsame Schaffen von Bildern einzulassen.

Wenn ein Corporate Kunde einen ganz anderen Wunsch an die Bildsprache hat als die, die ich produziere, macht es wenig Sinn, eine Zusammenarbeit einzugehen. Am Ende sind alle Parteien unglücklich. Das habe ich erlebt und daraus gelernt.

 

Wie würdest du deine Bildsprache beschreiben?
Ich würde meine Bildsprache als ruhig und subtil beschreiben; warm, nah und manchmal ein bisschen verspielt. Es ist aber auch immer spannend zu hören, wie andere darüber denken oder was sie darin sehen. Zum Beispiel wurde mir mal gesagt, dass meine Fotografie unaufgeregt, liebevoll und vielseitig ist.
 

Was ist das schönste Kompliment für dich?

Manche Menschen werden nicht gerne fotografiert, wenn sie mir danach sagen, dass sie sich mit mir wohlgefühlt haben, bin ich glücklich. Das bezieht sich vor allen Dingen auf Personen, die sich vielleicht nicht unbedingt ausgesucht haben, in der Öffentlichkeit zu stehen oder weniger in einer Machtposition sind.

 

Hast du spezielle Techniken oder Herangehensweisen, um ihnen diese Unsicherheit zu nehmen und eine entspannte Atmosphäre zu schaffen?

Man sagt mir nach, dass ich eine gewisse Ruhe ausstrahle. Auch wenn es in meinem Inneren manchmal anders aussieht, gelingt es mir meist, die Ruhe zu bewahren – und das scheint sich auch positiv auf mein Umfeld auszuwirken. Im Umgang mit anderen Menschen ist mir vor allem ein respektvolles Miteinander wichtig.

 

Viele Fotograf:innen zieht es in große Städte wie Berlin, München oder Frankfurt. Welche Auswirkungen hat das Leben in einer so kleinen Stadt wie Neustadt an der Weinstraße auf deine Arbeit – erlebst du es eher als Vorteil oder als Herausforderung?

Was meinen Standort betrifft, habe ich hier weniger direkten Zugang zu Dingen wie Technikverleihen, Museen oder dem spontanen Austausch mit Assistent:innen und Kolleg:innen. Dafür ist die Infrastruktur gut – ich bin mobil, gut angebunden und außerdem ist es hier einfach sehr schön. Auch wenn ich viel Zeit im Auto verbringe, um zu meinen Jobs zu kommen, überwiegen für mich die Vorteile des Umzugs von Hamburg hierher.

Ein Bildredakteur hat es einmal treffend formuliert: »Irgendwie wohnst du im Nirgendwo, aber bist doch ganz nah an allem dran – es ist verrückt.«

Geschichten und Geschehnisse gibt es überall zu erzählen. Wo mehr Menschen wohnen, gibt es mehr zu erzählen. Aber eben nicht nur dort. Das Leben passiert überall und vor allem gibt es im südwestlichen Raum auch viele Wirtschaftsthemen. Ich werde aber auch an Orte geschickt, weil man möchte, dass ich die Geschichte mit meiner Fotografie erzähle und nicht unbedingt, weil ich die bin, die den kürzesten Anfahrtsweg hat.

 

Gibt es eine besondere Begegnung oder ein Shooting, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Das Shooting mit dem Künstler Peter Weibel ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben. Er hat stoisch alles mitgemacht, worum ich ihn bat. Er war gleichzeitig voll anwesend und hat sich nicht aus seinem Konzept bringen lassen und es genossen. Der Fakt, dass es wohl sein letztes Shooting vor seinem Tod war, hat es natürlich retrospektiv in ein anderes Licht gerückt.

Aber mir bleiben viele Begegnungen in Erinnerung. Vor allem wenn es um soziale und gesellschaftliche Themen geht und mir Menschen den Einblick in ihre Lebens- und Schicksalsgeschichten schenken. Seien es Hinterbliebene und Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020 oder eine ehemalige Zwangsprostituierte, die ich in einem Frauenhaus traf und die mit mir zuerst einmal beten wollte.

Bewohner:innen in einem jüdischen Altersheim in Frankfurt am Main, die aus ihrem Leben erzählen, Gastarbeiter:innen und ihre Nachkommen. Ich empfinde all diese Begegnungen als wahnsinnig großes Geschenk, weshalb es mir so wichtig ist, das Vertrauen, was ich bekomme, zurück zu geben.

 

Die Bilder von Peter Weibel sind sehr ausdrucksstark und berührend. Auf einigen der Fotos hat er Reißzwecken auf seine Hände gelegt. Wie kam es zu der Idee?

Es ist ein Bezug auf eine alte performative Arbeit von ihm, in der er die Tasten einer Schreibmaschine mit Reißnägeln versah und darauf ein Gedicht abtippte, bis ihm die Finger bluteten. Seine Intention war es, den figurativen Schmerz von Worten wieder in physischen Schmerz umzuwandeln, weil er der Meinung war, dass nur physischer Schmerz echter Schmerz sei. Ich wollte diese Idee wiederum transformieren und ihm die Schmerz verursachenden Reißnägel an seine Hände kleben, mit denen er sich selbst berührt und aber auch bestimmen kann, wie viel Schmerz er damit verursacht.

Er fand die Idee gut und so standen wir in den Gängen des Zentrum für Kunst und Medien und er wartete ganz geduldig, bis ich alle Nägel auf seine Hand klebte und sie danach wieder abnahm. Wir haben nicht viel gesprochen. Zwei Menschen, die sich nicht kennen, aber gerade für den Moment zusammen an einer Idee arbeiten.

 

Wie detailliert planst du solche Shootings, bzw. wie viele Fotoideen bereitest du vor?

Es kommt sehr darauf an, wie viele Informationen und wie viel Vorlaufzeit ich zu einem Auftrag und über die Person bekomme oder recherchieren kann.

In diesem Fall war es natürlich etwas einfacher, da Peter Weibel öffentlich als visueller Künstler gearbeitet hat. Ich kannte seine Arbeit bereits, wenn auch nicht in allen Details. Also habe ich recherchiert und mir einige seiner Werke angeschaut. Die Idee mit den Reißnägeln kam mir aber tatsächlich ganz spontan – am Morgen des Fototermins. Ich habe sie dann kurzerhand mit doppelseitigem Klebeband präpariert.

Wenn ich versuche, eine Idee zu erzwingen, funktioniert das nicht immer. Ich mache mir im Vorfeld Gedanken, wie ich etwas ins Bild setzen könnte, aber manchmal muss ich alles wieder verwerfen und spontan mit dem arbeiten, was vor Ort da ist: der Raum, das Licht, die Energie der Menschen.

Bei Aufträgen spielt auch eine Rolle, ob es vonseiten der Redaktion bestimmte Vorstellungen gibt. Kreative Freiheit kann sehr befreiend sein – genauso wie ein paar konkrete Anhaltspunkte, an denen man sich orientieren kann.

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