Neu bei laif: Sophie Kirchner

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Wir freuen uns sehr, Sophie Kirchner als neues laif-Mitglied vorzustellen. Sie arbeitet als freie Fotografin in Berlin und fotografiert auf regelmäßiger Basis für Zeitungen wie u. a. taz, Berliner Zeitung, Chrismon, F.A.Z. und Der Tagesspiegel.

Sophie studierte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und dem Maryland Institute College of Art in Baltimore (USA) Fotografie. Geboren und aufgewachsen im ehemaligen Ost-Berlin wurde der Begriff des Wandels mit dem Fall der Mauer zu einem der prägendsten in ihrem Leben und er beschäftigt sie bis heute.

Mehr über unsere neue laif-Fotografin erfahrt ihr ab Mittwoch, den 25. Oktober 2023 auch auf Instagram. Eine Woche lang wird sie den laif-Account übernehmen und über ihre Arbeiten berichten.

 

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Katja Kemnitz hat im Vorfeld zudem ein Interview mit ihr geführt:

 

Für deine Portraits von Politiker:innen und bekannten Persönlichkeiten hast du oft nur wenige Minuten Zeit. Wie schaffst du es, in so kurzer Zeit dennoch gute Fotos zu machen?

Ich denke, es ist zum einen der Erfahrungsschatz. Irgendwann weiß man, was ein gutes Bild sein kann und was nicht. Wenn ich einen Raum betrete, sehe ich sehr schnell, welcher Rahmen, welcher Hintergrund oder welches Licht passt und wo es sich lohnt, ein Foto zu machen.

Zum anderen gehört auch viel Vorbereitung dazu. Ich bringe vor jedem Auftrag in Erfahrung, in welchem Kontext das Foto stehen soll. Es ist ein großer Unterschied, ob das Foto einen Text über Kindergrundsicherung begleitet, die Energiekrise oder vielleicht auch ein ganz leichtes Thema bebildert. Mit dem Wissen kann ich dann schon im Vorfeld Ideen entwickeln.

Ich versuche auch immer, möglichst früh vor Ort zu sein. Im besten Fall mit einer Assistenz, mit der ich die Kulisse vorbereite und teste. Es ist wie bei einer Generalprobe. Wir bereiten nicht nur alles für den Auftritt vor, sondern spielen es auch einmal komplett durch. So weiß ich dann bei der Premiere, dass nichts mehr schief geht. Mit dieser Vorbereitung kann ich mich dann auch voll und ganz auf die Person konzentrieren.

 

Diese Sicherheit schafft natürlich auch Vertrauen. Du hast ja durchaus auch ungewöhnliche Motive, bei denen vielleicht nicht jede öffentliche Person direkt ja sagen würde.

Ich denke, ich bin eine Person, die schnell das Eis brechen und auf andere zugehen kann. Ich muss aber sagen, dass die Menschen oft auch sehr dankbar für konkrete Anweisungen sind. Wenn sie merken, dass ich genau weiß, was ich tue und was ich möchte, kooperieren die meisten. Das ist wirklich interessant, denn oft sind es ja sehr mächtige Personen, die mir gegenüber stehen. Ich denke, dass Menschen sich total freuen, wenn sie merken, dass sich jemand wirklich vorbereitet hat. Wenn jemand ohne Zeit zu einem Termin kommt und ich sage: „Ich habe zwei coole Ideen: Das und das möchte ich machen“, dann ist die Zeit oft plötzlich doch da.

Es geht aber nicht nur darum, selbstbewusst zu sein und zu sagen, was man möchte. Als Portrait- und Reportagefotograf:in hat man, denke ich, auch eine gewisse Liebe für die Menschen an sich und im besten Fall auch einiges an Empathie. In meinen freien Projekten fotografiere ich vor allem Menschen, die nicht so häufig im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen. Da ist es mir wichtig, mich in die Menschen hineinzudenken und mit ihren Geschichten oder auch Ängsten mitzufühlen.

 

Gibt es einen Auftrag, über den du dich besonders gefreut hast?

Oh, das ist gar nicht so einfach, eine konkrete Arbeit herauszupicken. Die Minister:innen sind schon immer sehr spannend. Kevin Kühnert für die Taz zu fotografieren hat mich sehr gefreut, einfach weil er auch Berliner ist und ich mir schon dachte, dass das ein guter Termin werden könnte. Das war es dann auch. Vielleicht ist das typisch Berliner, aber mit ihm konnte ich direkt reden, als wäre er ein Kumpel von mir. Einfach sehr sympathisch und er hatte zusätzlich auch etwas Zeit mitgebracht.

Ein anderer, sehr schöner Job war Geertje Marquardt zu fotografieren, die vorhatte, mit nur einem Schlitten Grönland einmal zu durchqueren. Ihre Vorbereitungen für diese Reise zu dokumentieren, auch diese innere, seelische Vorbereitung zu bebildern, hat Spaß gemacht und war sehr inspirierend.

Noch ein letztes Beispiel: Die F.A.Z. hatte mich beauftragt, ein Ehepaar in einer sogenannten „Intelligenzsiedlung“ der ehemaligen DDR zu fotografieren. Diese Siedlung wurde damals speziell für Künstler:innen und Intellektuelle gebaut. Die Frau gehörte damals, als Jugendliche, mit ihren Eltern zu den Erstbezüglern. Sie lebt mit ihrem Mann noch heute dort. Über diesen Auftrag habe ich mich gefreut, weil ich mich auch durch meine eigene Biografie in meinen freien Projekten viel mit Ostdeutschland und der Nachwendezeit beschäftige.

Die DDR und die Aufarbeitung der Wende- bzw. Nachwendezeit ist mein selbstgewählter Schwerpunkt, weil ich finde, dass wir nach wie vor in einer Aufarbeitung stecken. Diese Aufarbeitung leistet einen nicht unerheblichen Beitrag dazu, wie wir das hier und jetzt begreifen. Es gibt ja auch heute noch Nachwirkungen. Deshalb finde ich es sehr spannend, wenn ich Menschen treffe, die mir von damals erzählen können. Von dem Land, aus dem ich ja auch komme. Ich bin 1984 in Ost-Berlin geboren.

 
Sehr spannend. Ich bin selbst 1984 in Sachsen geboren. Aber immer wenn ich zwischen Ost und West unterscheide oder mich für die DDR-Geschichte interessiere, werde ich gefragt, was ich denn damit will. Wir seien doch geeint und gut jetzt. Vor allem in Westdeutschland bekomme ich das gesagt. Geht dir das ähnlich?

Ja, ich kenne solche Gespräche. Mir begegnet aber auch sehr viel Interesse von westdeutscher Seite. Es kommt irgendwie immer darauf an, mit wem man die Gespräche führt und ob da ein wirkliches Interesse vorhanden ist. Aber natürlich interessiere ich mich schon eher für ein Thema, wenn ich persönlich involviert bin, wenn eine gewisse Familienbiografie vorliegt. Ich sehe uns Wendekinder als eine Art Scharnier zwischen der DDR und dem vereinten Deutschland. Auch finde ich, dass die Wendeerfahrung einen gewissen Schatz birgt, der erst noch geborgen werden muss. Aber das ist vielleicht ein Thema für ein anderes Interview.

 
Ich finde mit in Bezug darauf deine freie Arbeit „Träume aus Papier“ großartig. Darin hast du Menschen gefragt, was sie von ihrem Begrüßungsgeld gekauft haben und was ihnen das damals bedeutet hat.

Mit der Arbeit wollte ich die ostdeutsche Wendeerfahrung ein wenig aufdröseln. Man kann ja nicht behaupten, dass es eine kollektive Osterfahrung gab. Man muss schauen, wie alt die Menschen zur Zeit der Wende waren, welche Brüche sie miterlebt haben und weitere Aspekte. Von diesen Brüchen und dem unterschiedlichen Erleben der Wendezeit, wollte ich mit der Arbeit erzählen.

Zum anderen war es aber auch ein Anstoß, sich emotional damit auseinanderzusetzen, was das eigentlich mit den Menschen gemacht hat. Viele wurden während der Gespräche wirklich sehr emotional und es hat sie sehr berührt, dass da jemand zu ihnen kam und gesagt hat: Ich finde deine Geschichte erzählenswert. Das hat mich erstaunt, weil es auch zeigt, wie wenig innerlich bis dahin aufgearbeitet wurde. Wie wichtig es ist, in diesem Fall für die Ostdeutschen, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.

 
An was arbeitest du ganz aktuell? Auch etwas zur Ost-Geschichte?

Ich fotografiere gerade junge Männer in Ostdeutschland. Fakt ist, dass es in Ostdeutschland – abgesehen von den großen Städten Berlin, Leipzig und Dresden – einen Männerüberschuss gibt. Daraus entstand das Vorurteil des defizitären Ost-Manns, der nicht weiß, was er mit sich machen soll und der quasi irgendwie zurückgeblieben ist. Der im schlimmsten Fall auch noch AfD wählt. – So nach diesem Klischee. Aber so einfach ist es nicht.

Ich bin für das Projekt mit einem Stipendium nach Zwickau gefahren und hatte zu Beginn durchaus auch Vorurteile, so aus meinem Elfenbeinturm Berlin kommend. Aber nach zwei Wochen wollte ich eigentlich nicht mehr weg. Ich habe so viele coole Leute kennengelernt. Vor allem junge Männer, die vor Ort ihren Lebensraum gestalten, die Probleme sehen, anpacken und dabei sehr kreativ sind. Viele sind in Ehrenämtern tätig und äußerst engagiert. Sie veranstalten Non-Profit Festivals, oder gehen gegen Nazis auf die Straße. Sie entscheiden sich vor allem bewusst dazu, zu bleiben, weil sie für sich eine Lebensqualität vor Ort sehen, jenseits von dem Erstarken rechter Strukturen. Aber ihnen fehlt eine Lobby, niemand sieht das, bzw will das sehen? Das hat mich wirklich erstaunt.

Ich möchte mit diesen Arbeiten das Bild vom Osten etwas mehr differenzieren, die vielen Facetten der Ostdeutschen (Männer) zeigen und herausarbeiten. Das Projekt soll noch viel größer werden. Ich klappere jetzt nach und nach jedes neue Bundesland ab. Gerade war ich in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern. Es gibt noch einiges zu tun.

 
Ich finde, deine Bilder haben einen starken Wiedererkennungswert. Wenn ich sie beschreiben müsste, würde ich sagen, sie sind düster, dramatisch, aber auch ein wenig schwermütig. Gehst du da mit?

Ja, da würde ich völlig mitgehen. Mich inspirierten schon früh die alten Meister wie Rembrandt, Vermeer oder Caspar David Friedrich. Diese hatten ja auch alle etwas Dramatisches und Melancholisches in ihren Werken. Ich würde auch sagen, dass ich mich auch inhaltlich eher zu Sachen hingezogen fühle, die das widerspiegeln. Journalismus ist ja selten „heute war alles super“, sondern meistens geht es im Kern schon darum, dass es irgendwo ein Problem gibt.

Den Wirtschaftsminister hatte ich damals nicht nur so inszeniert, weil es abends um halb 9 war und die Sonne fehlte, sondern weil er vor einer Krise stand. Alle können sich sicher noch daran erinnern, nicht zu wissen, wie hoch wohl die nächste Gasrechnung ausfallen wird. Das war genau in dieser Zeit und er, der Mann der Stunde. Das wollte ich mit dem Bild transportieren. Es kam dann auch auf die Titelseite der TAZ und darunter stand: Kohle ist eine Sünde. Das hat natürlich super zu dem dunklen Bild gepasst.

Also ja, ich denke, das ist Teil meiner Bildsprache.

 
Da du selbst jetzt Rembrandt erwähnst, sehe ich auch dieses besondere Licht in deinen Bildern. Eine letzte Frage zum Abschluss: Weißt du noch, was du von deinem Begrüßungsgeld damals gekauft hast?

(lacht.) Ja. Kennst du diese großen flachen Lutscher, die wie so eine Schnecke aufgerollt sind und auf einem Holzstiel stecken?

 

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