Fotografie & Healthcare

Bertram Solcher
Fotograf:in
Bertram Solcher
Kategorien
Corporate
laif im Gespräch mit Julia Hauck, Referentin für Kommunikation der gemeinnützigen Christoph Lohfert Stiftung, und laif-Fotograf Bertram Solcher über die Arbeit der Stiftung, den jährlich vergebenen Lohfert-Preis und die visuelle Umsetzung von Themen aus dem Healthcare Bereich.

laif: Liebe Frau Hauck, die CHRISTOPH LOHFERT STIFTUNG lobt jährlich den Lohfert-Preis aus. In 2022 hat die gGmbH „Was hab‘ ich?“ für das Projekt „Patientenbriefe nach stationären Aufenthalten“ in Kooperation mit dem Herzzentrum Dresden den Preis gewonnen. Worum geht es bei diesem Projekt?

Julia Hauck: Die CHRISTOPH LOHFERT STIFTUNG setzt sich für die Verbesserung der Patientenorientierung und Patientensicherheit in der Gesundheitsversorgung ein. Dazu vergeben wir jährlich den Lohfert-Preis mit 20.000 Euro Preisgeld für vorbildliche Projekte. Diese verbessern beispielsweise die Kommunikation mit den Patient:innen und „empowern“ sie, lassen sie also souveräner und kompetenter im Umgang mit Gesundheitsfragen werden.

So hat der Preisträger 2022 eine herausragende Lösung für ein Problem gefunden, dass es nach unserem Verständnis eigentlich gar nicht geben dürfte: Die ärztlichen Entlassbriefe nach einem Krankenhausaufenthalt sind für einen Großteil der Patient:innen unverständlich. Das hat unter anderem damit zu tun, dass diese Briefe sowohl die weiterbehandelnden Ärzt:innen informieren sollen – und da braucht es die Fachbegriffe – , als auch an Patient:innen gehen – und da braucht es eine Übersetzung der Fachbegriffe, die es bislang tatsächlich nicht gab.
„Was hab‘ ich?“ hat ein System entwickelt, mit dem aus den Abrechnungscodes der Krankenhäuser automatisiert laienverständliche Briefe erstellt werden können. Durch die Automatisierung ist kein zusätzlicher personeller Aufwand nötig. Nachweislich hat sich die Gesundheitskompetenz der Patient:innen nach der Lektüre und dem Verständnis von Diagnose und Behandlung stark verbessert. Für die unabhängige Jury war das die herausragende Arbeit in 2022 und ein wegweisendes Projekt für die Zukunft.

laif: Jedes gewonnene Projekt wird von laif-Fotograf Bertram Solcher visuell dokumentiert. Warum ist Ihnen das wichtig und wie setzen Sie die entstandenen Bilder ein?

Julia Hauck: Unserem Stifter war es wichtig, dass seine Förderung einer patientenorientierten Medizin nicht nur fachlich, sondern auch emotional untermauert wird. Die Stiftung sieht eine ihrer Hauptaufgaben darin, die prämierten Projekte einem möglichst breiten Publikum zu erklären und da ist diese ruhige und dokumentarische Herangehensweise von Bertram Solcher ein wichtiges Transportmittel. Bilder erklären, Bilder bleiben im Gedächtnis, Bilder können polarisieren und Bilder können auch immer wieder zum Schmunzeln anregen. Für uns ist es wichtig, dass unsere manchmal etwas sperrigen Themen optisch auf das Wesentliche heruntergebrochen werden – die Menschen.

 

Julia Hauck

»Unserem Stifter war es wichtig, dass seine Förderung einer patientenorientierten Medizin nicht nur fachlich, sondern auch emotional untermauert wird.«

 

 

 

laif: Bertram, wie gehst du an die Projekte heran? Bekommst du ein Briefing oder hast du freie Hand in der Umsetzung? Oder was sind die Anforderungen hierbei an dich als Fotograf?

Bertram Solcher: Nachdem sich die Jury entschieden hat, bekomme ich die Bewerbungsunterlagen des Sieger-Projektes. Ich kann mich dann einlesen, recherchieren, mit den Preisträger:innen telefonieren und aus diesen Informationen Foto-Ideen entwickeln. Diese Ideen bespreche ich dann mit der Stiftung. Das ist zu jedem Zeitpunkt des Prozesses eine Kommunikation auf Augenhöhe.
Durch meine fotografischen Erfahrungen im Gesundheitswesen kann ich schon am Telefon ziemlich genau hinterfragen, wie die räumliche Situation oder die Abläufe vor Ort sind. Häufig kommt es dann, aber doch wieder anders als gedacht. Auch da hilft mir meine Erfahrung. Ich passe mich einfach an. Bis jetzt bin ich noch immer mit ungewöhnlichem Material zurückgekommen. Die lange Leine war bis jetzt immer zielführend.

 

Bertram Solcher

»Kaum jemand weiß jedoch, dass das Stethoskop um den Hals ein kapitaler, hygienischer Fauxpas ist.«

 

laif: Du bist nicht nur Fotograf, sondern auch studierter Mediziner. Welchen Vorteil hat das für deine Auftraggeber:innen?

Bertram Solcher: Zuerst einmal verstehe ich die Sprache, und ich spreche sie auch. Das erleichtert die Kommunikation und ist vertrauensbildend. Dann kenne ich die üblichen Abläufe und bin dadurch in der Lage, den Mitarbeitenden Sicherheit zu geben. Ich merke, ohne dass man mich auffordern muss, wann der Fotograf nicht mehr ins Setting passt. Ich kann Blut sehen, weiß, was ich nicht berühren darf und laufe nicht mit einer Kamera ungebremst in einen MRT. Ich weiß aber auch, wie ich intime Situationen bewältigen kann ohne voyeuristisch oder aufdringlich zu werden. Ich kann auch mit der Kamera eine professionelle Distanz bewahren und komme nicht in eine emotionale Achterbahnfahrt.

laif: Wo kann deiner Meinung nach Fotografie im Healthcare Bereich noch besser oder gezielter eingesetzt werden? Oder anders: Was kann Fotografie für die Healthcare Kommunikation leisten?

Bertram Solcher: Corporate-Fotografie wird im Healthcarebereich, im Vergleich zu anderen Branchen, erst seit relativ kurzer Zeit eingesetzt. In Deutschland mussten erst die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen den Wünschen nach Information angepasst werden. Die Amerikaner waren da schon viel weiter und haben Bildsprachen für den Healthcarebereich kreiert. Jede:r weiß, dass Kliniken hell und bläulich sind und Ärzt:innen ein Stethoskop um den Hals tragen – das sehen wir in jeder Arztserie und auf vielen Microstock-Fotos. Auch ich bekomme solche Bilder immer wieder von Kund:innen auf ihren Moodboards vorgelegt. Kaum jemand weiß jedoch, dass das Stethoskop um den Hals ein kapitaler, hygienischer Fauxpas ist. Die Kommunikation im Healthcarebereich ist noch wenig innovativ und reproduziert häufig die immer gleichen Stereotypien. Authentische Autorenfotografie kann da eine Menge leisten.

 

 

teilen
LinkedIn