Geschichten zum Weltfrauentag

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Der 8. März ist Weltfrauentag – doch für Frauen ist es kein Tag der Feierlichkeiten, sondern eine fortwährende Erinnerung weiter für Gleichberechtigung zu kämpfen. Es ist ein Tag, an dem wir einmal mehr auf bestehende Probleme aufmerksam machen und für eine gerechtere Zukunft einstehen müssen.

Dafür lassen wir laif-Fotografinnen zu Wort kommen, die uns Geschichten und Bilder von Frauen erzählen, die ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind. Diese Frauen sind Symbole für Stärke und den unaufhörlichen Kampf für Gleichberechtigung.

Sophie Kirchner

Ich durfte bereits so viele interessante, inspirierende und mutige Frauen fotografieren. Alleinerziehende Mütter, eine Politikerin, die entschieden hat, in den Lehrberuf zu gehen, eine Extremsportlerin, die sich auf eine Grönland-Expedition vorbereitete, oder Frauen, die mit ihren Kindern aus der Ukraine flüchteten und alles zurücklassen mussten.

Entschieden habe ich mich für den heutigen Tag für das Porträt von Oleksandra Matwijtschuk. Zwei Jahre ist es nun her, dass sie den Friedensnobelpreis erhielt. Seit zwei Jahren tobt der Angriffskrieg in der Ukraine. Die Arbeit von Oleksandra Matwijtschuk und dem »Center for Civil Liberties« ist zu einer unverzichtbaren Institution für den Kampf um Menschenrechte geworden.

Als Oleksandra Matwijtschuk zum Fototermin in den Raum trat, fiel mir ihre unglaubliche Präsenz auf. Nicht aufdringlich, fast schon fragil und gleichzeitig stark. Es war sehr leise im Raum und wir kommunizierten fast nonverbal. Sie war absolut im Moment. Der Termin war für mich eine sehr schöne und bewegende Erinnerung.

Andrea Artz

Ich habe mich für das Porträt von Angela Ghayour entschieden, das ich im Januar 2024 für das Cicero Magazin fotografiert habe. Das Fotoshooting hat Spass gemacht, war entspannt und wir haben uns schnell angefreundet. Angela ist eine Wegbereiterin in dem, was sie tut. Sie ist eine Lehrerin aus Afghanistan und gründete die »Herat Online School« für afghanische Mädchen und einige Jungen, denen Bildung vorenthalten wird. Jetzt gibt es etwa 3000 Studierende. Mehr als 400 Lehrer:innen unterrichten 84 verschiedene Kurse. Ich bewundere Angelas Stärke und dass sie ihr fantastisches Projekt weiterführt, obwohl sie von den Taliban bedroht wird.

Seit kurzem unterrichte ich auch Online-Kurse in Mediendesign (Foto/Videoschnitt und audiovisuelle Medien) für eine deutsche Universität. Deshalb entstand die Idee und der Wunsch, mich an der Herat School zu engagieren. Ich bin begeistert von dem Projekt und hoffe, es klappt. Ich liebe es wirklich, wie wir Frauen uns gegenseitig verbinden und inspirieren und wie aus einer kurzen Begegnung im Leben etwas Sinnvolles und Schönes entstehen kann, das für andere Frauen von Vorteil sein kann.

Sitara Thalia Ambrosio

»Nur wenn wir sie als Menschen sehen, kann sich etwas ändern«, sagt Saida (Name geändert) und blickt auf die verschneite Landschaft vor dem Fenster ihres Hauses am Rande von Biha. Die Zwanzigjährige lebt hier mit ihrem Vater und ihren zwei Söhnen. Einige junge Männer stapfen durch den verschneiten Garten. Die Familie unterstützt Geflüchtete, lädt ihre Handys und Powerbanks auf, versorgt sie mit Brennholz und Essen oder lässt sie bei sich zu Hause duschen. Und das obwohl Hilfsarbeit durch den Staat kriminalisiert wird und jede Hilfe von Privatpersonen untersagt ist.

Saidas und mein Weg haben sich gekreuzt, als ich gerade mit Kollegen nach einem Geflüchteten suchte, der bei dem Versuch von Bosnien nach Europa zu gelangen verschwand und vermutlich in einem Fluss ertrunken ist. Nach unseren Informationen ist bis heute seine Leiche nicht gefunden worden, und seine Familie kann ihn nicht beerdigen. Eine Gefahr, der sich viele Menschen aussetzen. Im Januar 2022 waren hunderte Geflüchtete in der Kleinstadt im Nordwesten Bosniens gestrandet.

Saida selbst ist alles andere als reich, möchte den Fliehenden aber helfen. Nicht nur einmal gab es deshalb Ärger mit den Nachbarn und der Polizei. Einer lasse immer die Hunde los, wenn Geflüchtete zu ihr laufen, erzählt sie. Aber abhalten lässt sie sich davon nicht. »Ich glaube nicht, dass ich jemals aufhören werde, ihnen zu helfen«, sagt sie, als ein Geflüchteter den Raum betritt, der gerade von einem erneuten gescheiterten Versuch die Grenze zu überwinden, zurückkehrt.

Auf den flüchtigen Betrachter mag das Bild von Saida unscheinbar wirken – immerhin zeigt sie nicht ihr Gesicht, weil sie die gesellschaftliche Antwort auf ihre Humanität fürchtet. Bestimmte Frauen bleiben in unserer Gesellschaft medial unsichtbar. Dem will ich mit dem Bild und Saidas Geschichte entgegenwirken. Ihr Schicksal steht für mich repräsentativ für viele Frauen, die im Hintergrund wirken.

Aliona Kardash

Auf dem Bild ist meine Babushka (meine Oma), Maria Antonovna Olkhovskaya, zu sehen. Sie ist 94 Jahre alt, hat drei Töchter, sechs Enkelkinder und elf Urenkelkinder. Sie wurde in einer Familie von Altgläubigen in einem kleinen Dorf in der sibirischen Taiga geboren. Als Kriegskind litt sie unter Hunger und harter körperlicher Arbeit. Sie hat nur einen vierjährigen Schulabschluss und arbeitete in einem Sägewerk, als sie jung war. Zu Hause kümmerte sie sich um alles, hielt zehn Stück Vieh und bewirtschaftete gleichzeitig einen großen Gemüsegarten.

Meinen Opa habe ich nie kennengelernt, da er ein Jahr vor meiner Geburt verstorben ist. Aber meine Oma war immer da und ist eine der wichtigsten Frauen in meinem Leben. Obwohl sie das Wort »Feminismus« wahrscheinlich nie gehört hat, hat sie doch ihr ganzes Leben als Feministin gelebt.

Ich begann im Jahr 2015, meine Oma zu fotografieren, als mir klar wurde, dass ich eine Erinnerung an sie und die wunderschöne Welt, die sie um sich herum geschaffen hatte, bewahren wollte. Das Bild habe ich im letzten Sommer gemacht, als ich das letzte Mal bei meiner Familie in Tomsk war. Zwischen uns liegen jetzt 5394 km und an diesem Tor haben wir uns letztes Mal verabschiedet. Ich schaue mir dieses Bild öfters an und liebe mir vorzustellen, wie Babuschka mir zurückwinkt, als ich mit meinem Koffer den Schotterweg langgehe.

Eine Frau steht am Gartentor
Nora Bibel

Masnuah traf ich bei meiner Arbeit am Projekt »Uncertain Homeland« auf Java. Die Küstenregionen Indonesiens sind besonders vom Klimawandel betroffen. Seit 2000 spüren die Fischer den Anstieg des Meeresspiegels durch die ständige Überflutung ihrer Dörfer und den Rückgang der Fänge. Die geringen Fangmengen zwingen die Fischer, ihre Besatzung zu verkleinern. Masnuah begleitete deshalb ihren Mann vor vielen Jahren zum ersten Mal aufs Meer, obwohl es als schändlich galt, dass ein Fischer seine Frau um Hilfe bittet.

In einer patriarchalen Gesellschaft, in der Frauen nur minimalen Zugang zu Informationen und Bildung hatten, erlebte sie die Herausforderungen und Hindernisse aus erster Hand. Es war dieses Erleben, das Masnuah dazu bewegte, 2005 den Fischerfrauen Verband (PPNI) zu gründen. Als Vorsitzende bietet sie heute Fischerinnen und Ehefrauen von Fischern einen Raum für wirtschaftliche Selbstbestimmung.

Dank ihrer Lobbyarbeit ist es für Frauen akzeptabel geworden, zu fischen und dabei die gleichen Rechte wie Männer zu haben. Doch der Weg zur Gründung des Verbands war nicht einfach. Viele Menschen, insbesondere die Dorfältesten und religiöse Persönlichkeiten, waren überzeugt, dass eine Mitgliedschaft bei PPNI im Widerspruch zum Frausein stand.

»Damals wurden wir als eine Bewegung bezeichnet, die sich gegen den Willen Gottes wendet, weil wir Frauen lehrten, wie sie sich gegen ihre Ehemänner wehren können.«
Masnuah, Indonesian Women Fishers Association (PPNI)

Masnuah selbst hat mit 47 Jahren einen High School Abschluss absolviert, Schulungen initiiert, damit Fischerinnen alternative wirtschaftliche Aktivitäten lernen, einen Laden gegründet, in dem die Frauen ihre Produkte verkaufen. Zusätzlich setzt sie sich mit dem Verband gegen häusliche Gewalt ein und organisiert monatliche Treffen der Community. Von ihrem Mann ist sie mittlerweile geschieden.

Ihre einnehmende Heiterkeit und positive Energie hat mich in unserer Begegnung absolut begeistert. Das sehr leckere Abendessen, das Sie für mich und einige Freundinnen gekocht hat, die gemeinsamen Mofafahrten durch überschwemmte Gebiete und der Besuch bei marginalisierten Frauen werden mir immer in Erinnerung bleiben. Begleitet von unserer spärlichen Kommunikation mithilfe einer rudimentären Übersetzungsapp.

Fischerinnen sitzen in einer Runde vor dem Fang
Melina Mörsdorf

Wenn ich über die Erziehung meiner Tochter nachdenke, fällt mir auf, dass ich immer versucht habe, sie so neutral wie möglich zu betrachten und genderstereotype Erziehungsmethoden so wenig Raum wie möglich zu geben. Zwar bin ich mir bewusst, dass auch ich nicht frei von diesen Dingen bin, da ich ja selbst eine Frau bin und entsprechend geprägt und sozialisiert wurde. Aber ich versuche, zu reflektieren, so gut ich kann.

Ich habe Toni immer ermutigt, auch die Dinge zu tun, über die andere sagten, das sei nichts für ein Mädchen. Ab einem Alter von vier Jahren war es für sie selbstverständlich, in der Jungsabteilung die Kleidung auszusuchen, die sie schön fand. Vor allem Jeans, denn die hatten, im Gegensatz zu denen aus der Mädchenabteilung, richtige Taschen.

Jetzt kommt sie langsam in die Pubertät und ich bemerke eine Verlagerung der Einflüsse. Mama und Papa sind nicht mehr der Mittelpunkt ihrer Welt und die Meinungen und Ideen anderer bekommen mehr Gewicht. Das ist auch gut so, denn bedarf es nicht zumindest metaphorisch eines ganzen Dorfs, um ein Kind großzuziehen?

Ich bemerke nun eine Veränderung in meiner Erziehung, feministische Themen und Thesen bekommen mehr Raum, ich möchte sie wappnen für all die Dinge, von denen sie noch nicht ahnt, dass sie in der Welt tatsächlich passieren. Wir führen viele Gespräche und analysieren das Miteinander ihrer Freundinnen und die Dinge, die in einer 5. Klasse eben so passieren. Und dabei fällt mir auf, dass ich immer wieder zu einem Grundsatz zurückkehre, den meine Mutter mir immer wieder eingetrichtert hat. Er ist hängengeblieben und nun zu einem meiner wichtigsten Grundsätze geworden: Sei solidarisch mit anderen Frauen. Das Patriarchat fürchtet sich am meisten vor Frauen, die zusammenhalten, die sich nicht für Äußerlichkeiten kritisieren, die sich organisieren, vernetzen, austauschen und stärken.

Ich versuche Toni ein gutes Beispiel zu sein, zum Beispiel mit meiner Arbeit im Female Photoclub. Und ich hoffe sehr, dass sie diesen meinen Grundsatz eines Tages übernimmt und zu ihrem macht.

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