Neu: Jana Islinger

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Wir freuen uns, Jana Islinger als neue laif-Fotografin vorstellen zu können. Jana lebt und arbeitet als Porträt- und Dokumentarfotografin in München.

Mit einem journalistischen Ansatz realisiert sie Langzeitprojekte zu gesellschaftlichen und geopolitischen Themen, mit Fokus auf Identität, Zugehörigkeit und Machtstrukturen – sowie deren Einfluss auf individuelle Lebensrealitäten.

Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt dabei auf Osteuropa, wo auch ihre aktuelle Serie »It’s my wound because it’s pain for me« verortet ist. Diese wird im Juli im Rahmen der laif-Gruppenausstellung beim Fotofestival Arles zu sehen sein.

Neben ihren freien Arbeiten ist sie auch im redaktionellen Bereich tätig, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, ZEIT online, ZEIT Magazin, Der Spiegel, Focus, Fluter, FAZ Magazin sowie die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

 

Jana, du arbeitest aktuell in Armenien weiter an deiner Serie »It's my wound because it's pain for me«. Was hat dich zu diesem Projekt bewegt?

Mein Interesse an der Kaukasusregion hat sich während eines längeren Aufenthalts in Georgien vertieft. Dort habe ich erlebt, wie stark der Wunsch nach demokratischer Teilhabe ist, trotz politischer Unsicherheiten und autoritärer Tendenzen. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, dessen Auswirkungen bis nach Armenien und Georgien reichen, hat meine Perspektive auf Osteuropa beeinflusst.

Armenien steht derzeit an einem Wendepunkt: Der Verlust von Bergkarabach, politische Isolation und die Angst vor einem neuen Krieg prägen das Leben vieler Menschen.

Mit »It’s my wound because it’s pain for me« möchte ich zeigen, wie tief diese Erschütterung geht, aber auch, wie Menschen dem etwas entgegensetzen. Mich bewegen Begegnungen mit Menschen, die trotz aller Unsicherheit nicht aufgeben, sondern nach Wegen suchen, sich Gehör zu verschaffen, Widerstand zu leisten und ihre Realität selbst mitzugestalten.

 

Nach der Militäroffensive Aserbaidschans 2023 ebbte das mediale Interesse an Bergkarabach rasch ab. Wie gehst du als Fotografin damit um, wenn die Relevanz deiner Arbeit offenbar vom öffentlichen Fokus abhängt?

Diese Erfahrung ist leider nicht neu. Viele Konflikte verlieren schnell an medialer Aufmerksamkeit, sobald sie aus den Schlagzeilen verschwinden. Als Fotografin sehe ich es aber gerade als meine Aufgabe, über die flüchtige Aktualität hinauszublicken. Die Auswirkungen solcher Ereignisse auf die Menschen vor Ort sind langfristig, sie prägen Identitäten, Lebensrealitäten und Zukunftshoffnungen.

Ich arbeite seit Ende 2023 an diesem Projekt, bewusst als langfristige Auseinandersetzung mit der Situation in Armenien. Dabei geht es mir nicht nur um schnelle Reaktionen auf aktuelle Ereignisse, sondern um ein tieferes Verständnis der gesellschaftlichen Folgen dieses Konflikts. Gerade weil Armenien im globalen Diskurs oft übersehen wird, ist mir ein kontinuierlicher Blick wichtig. Die Relevanz meiner Arbeit messe ich daher nicht allein an medialer Aufmerksamkeit, sondern an ihrem Beitrag zum Verständnis dieser konfliktreichen Region.

 

Gab es eine bestimmte Begegnung oder Situation, die dich besonders bewegt oder deine Arbeit nachhaltig beeinflusst hat?

Ende letzten Jahres habe ich eine Familie mit drei Kindern kennengelernt, die aus Bergkarabach geflohen war. Sie lebten in einem kleinen Dorf nahe der aserbaidschanischen Grenze, bei einer älteren Frau, die selbst kaum etwas besitzt, aber mehrere geflüchtete Familien bei sich aufgenommen hat. Sie hat mir gezeigt, wie viel Kraft in leisen Gesten und alltäglicher Solidarität steckt und wie Menschen auch unter schwierigen Bedingungen Verantwortung füreinander übernehmen.

 

Wie entscheidest du, wann eine fotografische Arbeit für dich „fertig“ ist? Insbesondere bei einem langfristig angelegten Projekt wie diesem?

Gerade bei Langzeitprojekten ist das nicht leicht zu beantworten. Es gibt für mich selten einen klaren Endpunkt. Oft merke ich in Phasen, dass sich mein Blick verändert, wenn ich das Gefühl habe, etwas besser verstanden zu haben oder mit etwas Abstand anders auf das Thema schaue.

Irgendwann entsteht dann der Wunsch, das Projekt in eine Form zu bringen, zum Beispiel als Buch oder Ausstellung. Auch wenn das nicht immer ein endgültiger Abschluss ist, hilft es mir, einen Zwischenstand festzuhalten und die Arbeit zu teilen. Mit etwas zeitlichem Abstand kann ich dann auch wieder neu an das Thema herangehen oder andere Aspekte weiterverfolgen.

 

Wie gehst du mit der Verantwortung um, Bilder aus einem so sensiblen politischen Kontext zu veröffentlichen?

Ich wäge sehr genau ab, was ich zeige und wie ich es zeige. Es geht mir nicht darum, Emotionen zu verstärken, sondern darum, Situationen so zu zeigen, wie sie sind, ohne sie zu dramatisieren. Gerade in sensiblen Kontexten ist es mir wichtig, Menschen nicht auf ihre Verletzlichkeit zu reduzieren. Ich versuche ihnen mit Respekt zu begegnen, beim Fotografieren genauso wie bei der Auswahl der Bilder. Diese Verantwortung nehme ich sehr ernst und sie begleitet mich bis zur Veröffentlichung.

 

Du bist nicht nur Reportagefotografin, sondern auch Portraitfotografin. Was bedeutet dir diese Form der Begegnung – und worin unterscheidet sich deine Herangehensweise bei Porträts von deiner Arbeit in politischen Konfliktzonen?

Ein Portrait ist für mich eine Form gegenseitiger Aufmerksamkeit. Es geht darum, einen Moment des Innehaltens zu schaffen und einen Raum, in dem sich jemand zeigen kann, ohne etwas darstellen zu müssen. Man verlässt die beobachtende Haltung und tritt in einen direkteren Austausch.

Bei Aufträgen sind Zeit, Ort und Rahmen meist vorgegeben und man arbeitet mit dem, was da ist. Im Vergleich zur dokumentarischen Arbeit ist der Prozess kontrollierter. In beiden Fällen versuche ich, eine konzentrierte Atmosphäre zu schaffen und mich auf die Situation einzulassen.

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